Es war ein wunderbarer Herbsttag im Oktober, an dem Elisabeth Pongratz als Sprecherin von Aktiv 50 Plus viele Zuhörer im Pfarrzentrum Rain begrüßen und den Referenten, Pfarrer Dr. Werner Konrad aus Viechtach vorstellen konnte. Er war gekommen um über das Alter zu sprechen: über die Generation, die beim Eintritt in den Ruhestand meist topfit ist, aber auch über das hohe Alter in der letzten Lebensphase, wenn man pflegebedürftig ist. Sein besonderer Blickpunkt lag darauf, was die Bibel zum Alter sagt. Und hier stellte er gleich klar, dass im Neuen Testament diesbezüglich nur wenige Aussagen zu finden sind. Im Alten Testament hingegen gebe es zahlreiche Stellen mit Bezug zum Alter, insbesondere in den Büchern der Weisheit. „Wie schaut die Weisheit aus“ fragte er in die Runde und hörte weißhaarig, alt, weise, männlich. Bei der Personifizierung der Weisheit im Alten Testament werde hingegen eine junge, schöne Frau beschrieben. Biblische Aussagen über das Alter sind so vielfältig wie das Alter und ältere Menschen selbst. Alt zu werden, wird in der Bibel als ein Segen bezeichnet. Auch in den biblischen Geschichten sterben die einen alt und lebenssatt, die anderen viel zu früh. Manche Texte beschreiben die Mühsal des Alters, andere die schönen Seiten. Diese Vielfalt kann anregen, sich ein eigenes Bild zu machen.
Pfarrer Konrad blickte auch auf das alte Israel im Alten Testament, in dem es kein Fortleben nach dem Tod gab, sondern das Leben nur diesseitig ausgerichtet war. Die Belohnung für ein gottesfürchtiges Leben wurde in einem langen Leben, in Reichtum, in Söhnen, in einer guten und liebenswürdigen Frau sowie in Gesundheit gesehen. Frauen und Töchter hatten durchwegs keinen besonders hohen Stellenwert, der alte Mensch jedoch schon. „Er ist das Vorbild, er hat einen hohen Rang“ betonte Pfarrer Konrad: „Alt werden ist ein Segen Gottes und wenn man den alten Menschen ehrt, ehrt man auch Gott“. Der Referent untermauerte seine Aussagen mit zahlreichen Bibelstellen wie an dieser Stelle mit Jesus Sirach im Kapitel 3. Pfarrer Konrad gab aber auch zu Bedenken, dass man von „dieser Ehre und dieser Achtung“ nicht mehr sehr viel spürt, wenn man in unsere Gesellschaft schaut. Er meinte, dass die älteren Menschen wenig Wertschätzung erfahren, sondern jung, gesund, schön, sexy zählen. Kinder würden gar manchmal meinen, dass Altwerden eine Krankheit sei. „Altwerden ist begleitet von Altersbeschwerden. Aber kann das Alter auch ein Plus sein?“ fragte Pfarrer Konrad. Mit einem Bild von Caspar David Friedrich über die Lebensstufen zeigte er das Leben und die Familie des Künstlers, wie er selbst sich sah und die Schiffe unterwegs in Richtung Abendrot waren. Der alte Mensch kann etwas, was der junge noch nicht kann: er sieht den Horizont des Lebens, der Blick wird freier, er sieht die Weite des Lebens. „Der alte Mensch sieht etwas, was die Jungen nicht sehen, da sie dafür gar keine Zeit haben“ resümierte Pfarrer Konrad.
Ein weiteres Kapitel in seinem Vortrag widmete der Referent den Aussagen aus dem Buch Jesus Sirach, der sich als „Frauenhasser“ outet und nach heutigen Verhältnissen „einen unmöglichen Schmarrn dahergeredet“ hat. Aber so Aussagen wie “ Wohl dem, der eine verständige Frau hat! Einer, der mit seiner Rede kein Unheil anrichtet; einer, der denen nicht dienen muss, die seiner nicht wert sind“, (Jesus Sirach 25,8) oder „Es ist kein Gift so stark wie Schlangengift und kein Zorn so bitter wie der Zorn einer Frau“ (Jesus Sirach 25,15) würden schon zeigen, dass für einen Mann eine böse oder zänkische Frau das Schlimmste war. Das Buch Kohelet würde zeigen, dass nicht das einfache Schema „einen guten Menschen geht es gut, einen schlechten Menschen geht es schlecht“ richtig ist. Alles im Leben habe seine Zeit, die Freude und der Schmerz, die Jugend und das Alter. Kohelet zeige auch, dass man Glück genießen soll und das Leid ertragen, mit Würde annehmen soll. „Leid kann auch läutern, nehmt es dankbar an. Gott ist souverän“ sagte Pfarrer Konrad und zitierte verschiedene Verse aus Kohelt, die Ratschläge für Freude und kraftvolles Handeln, für Zufall und Zeit, für Wissen und Macht geben.
„Halte deinen Sinn von Ärger frei, und schütz deinen Leib vor Krankheit; denn die Jugend und das dunkle Haar sind Windhauch“ zitierte Pfarrer Konrad aus dem Buch des Predigers und resümierte, dass die Jugend die kürzeste Zeit des Lebens ist. Jedes Alter gehöre zum Leben und man solle auf das Wort „alt“ stolz sein. „Gedenke an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe denn die bösen Tage kommen und die Jahre herzutreten, da du wirst sagen: Sie gefallen mir nicht“ erinnerte Konrad nocheinmal an den Prediger und blickte auf das Bild der letzten Lebensphase, dann wenn der Mensch zu seinem ewigen Haus geht und das Leben als Windhauch im Rückblick sieht. Pfarrer Hans Trimpl bereicherte das Frühstückstreffen mit einem Gebet der Heiligen Theresa von Avila, in dem sie über ihre Wünsche im Alter mit Gott spricht. Dies lobte Bürgermeisterin Anita Bogner als beeindruckend und berichtete, dass die Gemeinde Rain den Bau eines Seniorenzentrums plant. „In unserer Gemeinde sollen die Alten ihren Platz und ihren Wert haben, aber genauso auch die Kinder“ betonte sie und berichtete von Besuch der Koordinierungsstelle „Wohnen im Alter“ gemeinsam mit Elisabeth Pongratz und den verschiedenen Möglichkeiten, die in einem Workshop, mit Bedarfsplan und Konzept durchgeführt werden sollen.
GEBET DES ÄLTER WERDENDEN MENSCHEN |
Oh Herr, Du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde. |
Bewahre mich vor der Einbildung,
bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema
etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft,
die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich (aber nicht grüblerisch),
hilfreich (aber nicht diktatorisch) zu sein.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser
Einzelheiten und verleihe mir Schwingen,
zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
Und Beschwerden. Sie nehmen zu,
und die Lust, sie zu
beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen,
mir die Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören, aber lehre mich,
sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit,
dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir o Herr,
die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
(möglicherweise von Teresa von Avila (1515 – 1582))