„Achtet und fördert die Indivitualität der Kinder“ war ein Ratschlag, den Kurt Neudert beim Elternabend zum Thema „Was macht unsere Kinder seelisch krank?“ den Anwesenden gab. Auf Einladung vom Kindergarten Atting war der Pädagoge und leitende Regierungsschuldirektor a.D. ins Bürgerhaus „Alte Schule“ gekommen. Und hier war der Saal gut besetzt – das Thema stieß auf großes Interesse.
Nachdem Kindergartenleiterin Andrea Handl den Referenten begrüßt hatte, stellte er gleich die provokante Frage in die Runde: „Sind unsere Kinder, unsere Enkelkinder seelisch krank? Werden sie krank? Was erwartet man vom heutigen Abend? Sind auch wir seelisch krank? Was stellt man sich hinter seelischer Krankheit vor?“ Und schnell sprudelten dem Referenten die Antworten entgegen: unterschiedliche Ängste, mangelndes Selbstvertrauen, Aggressivität, Depressionen, Sprachstörungen, Flucht in unterschiedlichste Süchte, aber auch physische Krankheiten wie Haltungsschäden, Allergien oder Koordinationsschwächen und verschiedens mehr.
Kurt Neudert betonte, dass er dieses hochsensible Thema als Pädagoge angeht und drückte seine Meinung aus, dass für den Körper und für das Gedächtnis viel getan wird, die Seele aber oft zu kurz komme. Sein Wunsch sei es, zu sensibilisieren, genauer hin zu schauen. Er möchte darauf hinweisen, was man tun kann als Eltern, damit es den Kindern gut geht, besser geht. Jedes Kind ist ein Individuum, jedes Kind empfindet anders, jedes Kind reagiert anders“ stellte er von Anfang an klar. In einem kleinen Rückblick berichtete er über seine eigene Kindheit auf einem Bauernhof in Alburg. 1942 geboren, erlebte er während seiner Schulzeit „schlagkräftige Lehrer“.
Anschaulich erläuterte er:
* 20% der Kinder und Jugendlichen haben seelische Auffälligkeiten in Duetschland
* psychische Störungen im Erwachsenenlater beginnten früh; nur wenige Probleme lösen sich von selbst
* mögliche Einteilung der hauptsötrungen: emotionale Probleme, Verhaltensauffälligkeiten, soziale Probleme
* ADHS als neue Volksrankheit, bei der Buben 3 bis 8 mal so häufig betroffen sind wie Mädchen
* Depressionen nehmen mehr zu. Bei Mädchen häufiger als bei Buben
* Zunahme von Ängsten
* immer öfter werden Psychopharmaka an Kinder ausgegeben, aber nur wenige sind für Kinder zugelassen; die Neben- und Langzeitwirkungen sind noch zu wenig erforscht
* Zahl der Kinder, die regelmäßig Medikamten bekommen sit steigend (dabei ist auch die Eigenmedikation ein Problem)
* der Griff zum Medikament ist oft zu schnell.
* steigende Zahl der Jugendlichen bei psychisch Erkankten
* hoher Anstieg von Psychopharmaka bei Studenten (+ 54% Anstieg!)
* immer häufiger werden Kinder und Jugendliche in die Bezirkskrankenhäuser eingeliefert, da sie aufgrund von Lernstörungen und sozialen sowie ps<chischen Auffälligkeiten inder Schule scheitern
* es wird mit einer höheren Sensibilität beobachet, aber auch die objektive Zunahme ist steigend
Der Pädagoge blickte besorgt auf den steigenden Leistungsdruck in Schule, aber auch in der Freizeitgestaltung sowie auf die starke Zunahme von regelmäßigen Medikamenten/Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen. „Es muss uns um die Kinder gehen“ schärfte er seinen Zuhörern ein und bat sie, weg vom Notendruck zu kommen und auch dass sich „ein krankes Kind auskurieren darf“. Als möglich Anzeichen, die auf seelische Defizite hindeuten schaute der Referent auf hektische, nervöse und auch motorische Unruhe, auf körperliche Auffälligkeiten und Schlafstörungen, aggressives Verhalten, Gereiztheit und Zornausbrüche sowie ein depressive Grundstimmung. Auch ständig wechselnde Freundschaften, Rückzug und Vereinsamung sowie Neigung zu den unterschiedlichsten Süchten sollten die Alarmglocken schrillen lassen. Ein starkes Plädoyer hielt der Pädagoge für die Aufmerksamkeit, die Eltern, Großeltern, Erzieher, Lehrer und Betreuer den Kindern zukommen lassen sollen. „Zeit lassen. Da sein für die Kinder. Aufmerksam sein. Sehen, registrieren und auch mal übergehen und nicht sofort an alles hinreden“ riet er. Bei alledem dürfe nie vergessen werden, dass Kinder manche Situationen, auch Erlebnisse beim Fernsehen, anders empfinden als Erwachsene. „Signale und Hilferufe sind oft ein Schrei nach Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit, Liebe und Aufmerksamkeit“ resümierte der Pädagoge. Vieles untermauerte Kurt Neudert mit Beispielen und Erlebnissen aus seiner langjährigen Erfahrung im Umgang mit Kindern und Eltern. Ursachen für seelische Erkrankungen könnten in der Hektik und im Zeitdruck liegen, der sehr belastend für Kinder ist. Auch Druck in der Schule und durch Eltern sowie Schul-Stress sprach er als ursächlich an. Nicht zuletzt könne auch die Medienüberflutung und die familiäre Situation zu seelischen Erkrankungen führen. Bedenklich meinte Kurt Neudert, dass Kinder oft gar keine Zeit mehr haben „mal gar nichts zu machen“. Eindringlich empfahl er, dass Kindern nicht immer verplant sein sollten. Ziel sei es, seelisch gesunde und starke Kinder, starke Persönlichkeiten mit eigener Meinung und eigenem Standpunkt zu haben. Ansonsten hatte er als Ratschläge für die Eltern die Pflege des Familienlebens mit Ruhe, Geborgenheit, Urvertrauen, Nähe und Körperkontakt parat. Ebenso seien klare Strukturen und kindgerechte Anforderungen wichtig, indem man ihnen kleine Aufgaben übernehmen lässt und auch etwas zutraut. „Kinder brauchen Rituale, sie geben Halt und Sicherheit“ betonte Kurt Neudert und ergänzte mit sicheren, beständigen Bindungen sowie Orientierung, Vorbilder und erlebbaren Werten. „Erziehung sollte mit Liebe, Freiheit und viel Geduld, ohne Gewalt aber mit klaren Regeln und Ordnungen sein“ so der Pädagoge und berichtete, dass sich Kinder liebevolle und konsequent-strenge Eltern wünschen. Die ganzheitliche Sicht auf die Kinder mit Körper, Geist und Seele sei ebenso wichtig wie das Vermeiden von Überforderungen. „Fördern ja, aber nicht überfördern“ so Neudert. Er riet zur Pflege von Hobbies und Angeboten in Jugendgruppen sowie zu einem ausgewogenen Medienumgang und Medienkonsum. Empfohlen wird auch, mehr Empathie zu zeigen und zu lehren sowie durch einen Perspektiv-Wechsel zu lernen, sich mal in den anderen hineinzuversetzen. In der Diskussionsrunde wurde noch das ernste Problem von Mobbing angesprochen mit dem Rat, den schulpsychologischen Dienst in Anspruch zu nehmen. Kindergartenleiterin Andrea Handl dankte dem Referenten mit einem Präsent für die Ausführungen zu dem hochinteressanten und hochsensiblen Thema.
Großer Merksatz: „Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdiene, weil ich es dann am meisten brauche!