Hier können Sie den Hirtenbrief von Bischof Rudolf zur Österlichen Bußzeit 2021 lesen:
Liebe Kinder und Jugendliche, liebe erwachsene Schwestern und Brüder im Herrn!
1. Bereits zum zweiten Mal wende ich mich an Sie unter den Bedingungen der Corona-Pandemie! Fast ein ganzes Jahr schon liegt die Bedrohung durch das Virus wie ein Schatten über unserem Leben. Allein in unserem Land sind mittlerweile 70.000 Menschen an oder mit einer Corona-Infektion verstorben. Weltweit sind es zweieinhalb Millionen. Europaweit wird heute ihrer gedacht und für sie gebetet.
2. Aber nicht nur die Gefahr der Ansteckung und die Unberechenbarkeit der Krankheit machen uns zu schaffen, sondern auch die Folgen der Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen. Ganze Wirtschaftszweige liegen darnieder mit unabsehbaren Folgen für viele Betriebe und Existenzen. Alte und kranke Menschen leiden unter den Kontaktbeschränkungen. Vor allem aber die Kinder und Jugendlichen sind betroffen: Die Begegnung mit Gleichaltrigen im Kindergarten, in der Schule, im Verein, in der Gruppenstunde, bei Sport und Spiel ist lebenswichtig – und kann doch seit fast einem Jahr kaum oder nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen stattfinden. Psychologen rechnen mit enormen negativen Folgen.
3. Als Kirche sind wir in unseren verschiedenen Lebensräumen wie Familie, Pfarreien, Verbänden, Vereinen, caritativen Einrichtungen, Schulen und dergleichen von der Pandemie nicht mehr und nicht weniger betroffen als alle anderen gesellschaftlichen Gruppen auch. Die vom Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit ermöglicht es uns freilich, gemeinsam und öffentlich Eucharistie und andere Gottesdienstformen zu feiern. Damit können wir das kirchliche Leben in seinem Zentrum aufrechterhalten und den Trost des Glaubens sowie die Gebetsgemeinschaft erfahren. Dafür sind wir sehr dankbar. Die staatlich angeordneten Einschränkungen wie etwa das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung oder den Verzicht auf gemeinsames Singen nehmen wir in Kauf.
4. Von Herzen danke ich Ihnen für die Geduld und die Disziplin. Auch staatliche Stellen haben uns mehrfach attestiert: Von den Gottesdiensten der großen Kirchen ging und geht keine Gefahr aus. Dazu haben viele von Ihnen besonders beigetragen: vor allem im Ordnungs- oder besser „Begrüßungs“-Dienst, beim Reinigen und Desinfizieren der Bänke usw. Danke für allen Einsatz! „Wir lassen nichts ausfallen, wir lassen uns etwas einfallen.“ Das war und das bleibt vorerst unser Motto. Danke für allen Mehraufwand, danke für alle Solidarität und Rücksichtnahme in diesen Zeiten, in denen wir besonders sensibel füreinander da sein müssen.
5. Dennoch: Die Pandemie ist für uns alle eine enorme Herausforderung. Menschlich, gesellschaftlich, aber auch geistlich-religiös.
Manchmal überkommt mich ein tiefer Ärger über diese so belastende und auf den ersten Blick so sinnlos erscheinende Pandemie, die uns nun schon ein ganzes Jahr „geraubt“ hat und deren Ende noch immer nicht absehbar ist. Mit den Worten von Psalm 13 klage ich: „Wie lange noch, Herr, vergisst Du mich ganz? […] Wie lange noch muss ich Schmerzen ertragen in meiner Seele, in meinem Herzen Kummer Tag für Tag?“ (V. 2f.).
Die Klage ist auch im Gebetbuch der Bibel die angemessene und menschliche Reaktion auf eine Bedrängnis, die schwer auf uns lastet. Erst wenn wir sie zugelassen und uns von der Seele geschrien haben, können wir vielleicht einen Schritt weitergehen.
Wenn wir unsere Situation ins Licht des Glaubens halten, können wir vielleicht zu einer Haltung durchstoßen, die sagt: Was uns widerfährt, ist eine Prüfung, biblisch gesprochen: eine Versuchung.
6. Die erste Lesung am heutigen zweiten Fastensonntag zeigt uns, dass Gott selbst eine solche Prüfung vornehmen kann. Abraham wird von Gott zunächst zugemutet, seinen Sohn, d.h. seine ganze Zukunft, zu opfern. Trotzdem ist er unerschütterlich im Glauben an Gottes Treue. Er lässt sich selbst durch das Ansinnen, seinen Sohn zu opfern, nicht an Gott irremachen. Er wächst über sich hinaus und wird so bereits zu einem alttestamentlichen Zeugen der Hoffnung auf die Auferstehung. Denn Abraham vertraute darauf, dass Gott seinen Sohn auferwecken würde. Gott aber beendet die Prüfung Abrahams. Er selbst schickt den Widder, der schon auf das Osterlamm vorausweist und damit auf das Kreuzesopfer Jesu.
Auch von der gegenwärtigen Pandemie können wir – im Licht unseres Glaubens – sagen: Gott lässt sie zu – wie auch manch andere Katastrophe. Das ist für uns unbegreiflich und schmerzhaft. Aber wenn wir uns davon nicht irremachen lassen, können wir vielleicht sogar daran wachsen, so dass der Glaube inniger, die Hoffnung tiefer und die Liebe lebendiger werden.
7. Ich jedenfalls habe mir vorgenommen, mich nicht hinunterziehen zu lassen von der Trauer über vertane Chancen, schmerzlich vermisste Begegnungen und nicht erfüllte Urlaubstage. Ich möchte die kommenden Wochen, gerade auch die der verbleibenden 40-Tage-Zeit auf Ostern hin, dazu nützen. Die alte geistliche Erfahrung der Kirche wird mir dabei helfen: Gebet, Fasten und Almosengeben. Das sind die drei „geistlichen“ Mittel, mit denen nicht nur die Ich-Sucht überwunden, sondern auch der Depression vorgebeugt wird.
8. Verzicht war uns im vergangenen Jahr schon auf vielfache Weise abverlangt. Deshalb möchte ich heute vor allem auf den Zusammenhang von Fasten und Almosengeben hinweisen.
Zur Überraschung vieler haben die Sternsinger heuer ihr Sammelergebnis für Kinder und Jugendliche nicht nur gehalten, sondern mancherorts sogar noch erhöhen können. Was durch Konsum nicht ausgegeben werden konnte in der schon ein Jahr lang andauernden „Corona-Fastenzeit“, ist zu einem Teil offenbar weltweiten Hilfsprojekten zugutegekommen. Vergelt’s Gott dafür!
Die Sammlung für die Caritas und das Misereor-Fastenopfer sowie andere Hilfsprojekte bieten uns die Möglichkeit, an andere zu denken und ihnen beizustehen, so wie wir in einer Präfation beten: „Die Entsagung mindert in uns die Selbstsucht und öffnet unser Herz für die Armen. Denn Deine Barmherzigkeit, o Gott, drängt uns, das Brot mit ihnen zu teilen.“
Aber nicht nur materielle Mittel kann ich teilen, auch meine Zeit, meine Aufmerksamkeit. Mit wem sollte ich schon lange wieder einmal Kontakt aufgenommen haben? Ein Brief, eine Osterkarte, ein Anruf, eine E-Mail?
9. Das wichtigste geistliche Heilmittel gegen die Versuchung zur Verzweiflung ist das Gebet. Das Gebet braucht Zeiten, Orte und Worte.
Ich will mir nicht zu viel vornehmen, aber den Tag mit dem Gebet zu beginnen und ihn abends im Gebet meinem Herrn und Schöpfer zurückzugeben, verbunden mit einer Erforschung des Gewissens. Wir alle könnten in dieser Fastenzeit z.B. auf das Tischgebet wieder mehr Wert legen. Oder auf das Gebet des „Engel des Herrn“, zu dem uns das Läuten der Angelusglocken dreimal am Tag einlädt.
Das Gebet braucht einen Ort! Gewiss kann ich überall beten. In gewisser Weise ist das ganze Leben ein Gebet. Aber diese Wahrheit kann – wenn sie überstrapaziert wird –, auch zum Selbstbetrug führen. Ein Ratschlag, besonders für Corona-Zeiten geeignet: Wenn es mir möglich ist, suche ich die tagsüber geöffnete Kirche auf und zünde eine Kerze an. Und: Ich halte Ausschau nach religiösen Bekenntnis-Orten im Alltag: ein Feldkreuz, eine Hausmadonna, ein Kreuzweg oder Kalvarienberg. Wer die Augen offenhält, wird diese Orte finden und sich dort zum Gebet anregen lassen.
Die erwachende Natur, der beginnende Frühling, die länger werdenden Tage, sie werden mir zusätzlich helfen, neu und voll Dankbarkeit den Schöpfer der Welt und meines Lebens zu loben und zu preisen.
Und das Gebet braucht Worte. Nicht viele, aber eben doch Worte. Hilfreich ist ein kleiner Fundus an inwendig gelernten Gebetsworten. Ich nehme mir vor, einen Psalm oder ein anderes Gebet neu auswendig – oder besser – inwendig zu lernen, von innen heraus. Und dann erfahre ich, dass mir auch eigene Worte leichter aus dem Herzen und über die Lippen kommen.
10. Die dichteste Form des Gebetes ist die Feier der Sakramente. In ihnen wandelt sich mein Weg zu Gott in seinen Weg zu mir: Die sonntägliche Feier der Eucharistie in der Gemeinschaft der Schwestern und Brüder; und die Feier von Buße und Umkehr im Sakrament der Versöhnung. Auch unter Corona-Bedingungen gibt es dazu Möglichkeiten; auch in Ihrer Nähe.
11. So kann und so möchte uns Gott auf dem Weg durch finstere Wegstrecken immer wieder Tabor-Erlebnisse schenken, Augenblicke, in denen das Ziel, in denen das Licht und die unzerstörbare Freude schon hereinstrahlen in mein Leben und so mich aufrichten und zum Weitergehen ermutigen.
Dazu segne Sie der dreifaltige Gott,
der Vater und der Sohn und
der Heilige Geist.
Regensburg am Fest Kathedra Petri, 22. Februar im Jahr des Herrn 2021
Rudolf
Bischof von Regensburg
Hier können Sie den Brief als pdf herunterladen: 2021_-_Hirtenwort_-_Fastenzeit_Bischof_Rudolf_Voderholzer
Quellenangabe: (Foto und Text übernommen von www.bistum-regesnburg.de)