Der Apostel Thomas und seine Zweifel

Der zweite Sonntag in der Osterzeit wurde in der Kirche Rain am 19. April 2020 durch Pfarrer Peter Häusler gefeiert. Mit dabei – wie in Zeiten der Corona-Pandemie vorgeschrieben – eine ganz kleine Herde von Pfarrangehörigen. Dabei übernahmen die stellvertretende Sprecherin des Pfarrgemeinderates Gabi Ilg und Kirchenpfleger Josef Lacher den Lektorendienst. Musikalisch sorgte Simon Bründl an der Orgel für den richtigen Ton. Der zweite Sonntag in der Osterzeit ist seit der frühen Kirche als der „Weiße Sonntag“ bekannt. Damals trugen die in der Osternacht Getauften ihre weißen Gewänder bis zum Ende der Osteroktav. Lange Zeit war der Weiße Sonntag auch der Tag, an dem die Kinder ihre Erstkommunion feierten. Seit dem Jahr 2000 ist dieser Erste Sonntag nach Ostern aber auch der „Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit“ und wurde von Papst Johannes Paul II. eingesetzt.

Auf diesen Sonntag fällt eine der schönsten Lesungen, die Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 2,42-47): „Alle, die glaubten, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam“. Gabi Ilg trug sie vor – hier wird sie in einer Version aus der Bibel von Pfarrer Albert Kammermayer wiedergegeben.

Das Leben der ersten Gemeinde

Alle in der Gemeinde ließen sich regelmäßig von den Aposteln im Glauben unterweisen und lebten in brüderlicher Gemeinschaft, feierten das Abendmahl und beteten miteinander. Staunend erlebten sie die Wunder, die durch die Apostel geschahen, und jedermann in Jeru­salem merkte: Hier ist Gott am Werk. Alle aber, die zum Glauben gekommen waren, lebten wie in einer großen Familie. Was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam. Sooft jemand in Not war, verkaufte einer sein Grundstück oder anderen Besitz, und half mit dem Geld den Armen in der Gemeinde. Täglich kamen sie in großer Treue im Tempel zu­sammen. In ihren Häusern trafen sie sich, um miteinander zu essen und das Mahl des Herrn zu feiern; ihre Zusammenkünfte waren von großer Freude und aufrichtiger Herzlichkeit ge­prägt. Sie lobten Gott und waren im ganzen Volk geachtet und beliebt. Und die Gemeinde wuchs mit jedem Tag; so schenkte Gott immer mehr Menschen Rettung und Heil.

Das Evangelium – bekannt als das Evangelium vom „Ungläubigen Thomas“ –  trug Pfarrer Peter Häusler aus der neuen Einheitsübersetzung vor. Hier wird das Evangelium nach Johannes (Joh 20,19-31) aus der Kammermayer-Bibel wiedergegeben. „Jesus erscheint seinen Jüngern“

An diesem Sonntagabend hatten sich alle Jünger versammelt. Aus Angst vor den Juden lie­ßen sie die Türen fest verschlossen. Plötzlich war Jesus bei ihnen. Er trat in ihre Mitte und grüßte sie: „Friede sei mit euch!“ Dann zeigte er ihnen die Wunden in seinen Händen und an seiner Seite. Da wurden die Jünger von großer Freude erfüllt, als sie ihren Herrn wieder sa­hen. „Friede sei mit euch!“, sagte Jesus noch einmal zu ihnen. „Wie mich der Vater in diese Welt gesandt hat, so sende ich jetzt euch in die Welt!“ Dann hauchte er sie an und sprach: „Emp­fangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen. Und wem ihr die Schuld nicht vergebt, der bleibt auch vor Gott schuldig.“ Thomas, einer der zwölf Jünger, der auch Zwilling genannt wurde, war nicht dabei, als ih­nen Jesus erschien. Deshalb erzählten sie ihm später: „Wir haben den Herrn gesehen!“ „Das glaube ich nicht,“ gab er zur Antwort. „Ich glaube es erst, wenn ich seine durchbohrten Hände gesehen habe. Mit meinen Fingern will ich sie fühlen, und meine Hand will ich in die Wunde an seiner Seite legen. Vorher glaube ich es nicht.“ Acht Tage später hatten sich die Jünger wieder versammelt. Diesmal war Thomas bei ihnen. Und obwohl die Türen abgeschlossen waren, stand Jesus auf einmal in ihrer Mitte und grüßte sie: „Friede sei mit euch!“ Dann wandte er sich an Thomas: „Leg deinen Finger auf meine durchbohrten Hände! Gib mir deine Hand und leg sie in die Wunde an meiner Seite und wehre dich nicht länger, zu glauben!“ Thomas antwortete nur: „Mein Herr und mein Gott!“ Und Jesus fügte hinzu: „Du glaubst jetzt, weil du mich gesehen hast. Wie glücklich müssen erst die sein, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!“ Die Jünger erlebten noch viele andere Wunder Jesu, die nicht in diesem Buch geschildert werden. Was aber hier steht, wurde aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der verspro­chene Retter und der Sohn Gottes ist. Und wenn ihr ihm vertraut, habt ihr durch ihn das ewige Leben.

 

Thomas, der Zweifler, will es selber ganz genau wissen. Das, was ihm die anderen sagen, reicht ihm nicht aus: „Ich glaube es erst, wenn ich seine durchbohrten Hände gesehen habe. Mit meinen Fingern will ich sie fühlen, und meine Hand will ich in die Wunde an seiner Seite legen. Vorher glaube ich es nicht“. Thomas wollte also Beweise, richtig handgreifliche Beweise. Und das drückt auf wunderbare Weise ein Bild des italienischen Malers Caravaggio (1571 – 1610) aus dem Frühbarock aus. Das Bild zeigt Jesus, Thomas und noch zwei Jünger. Jesus zeigt dem Thomas seine Seitenwunde, die beim „Durchbohren mit der Lanze“ entstanden ist, als er am Karfreitag am  Kreuz hing. Das Besondere an diesem Bild – es gibt ja viele Darstellungen vom Ungläubigen Thomas – ist, dass Thomas seinen Zeigefinger direkt in die Wunde legt. Wenn man das Bild genau betrachtet, dann ergreift Jesus sogar selbst die Hand von Thomas und führt sie in seine Wunde… Die Szene ist schier unglaublich, das erkennt man auch an den Blicken der anderen Jünger, in denen Faszination und Erschrecken gleichzeitig erkennbar sind. Ob es tatsächlich so war – niemand weiß es, der ausdrucksstarke Caravaggio hat es jedenfalls so dargestellt. Die wichtige Aussage im Evangelium ist das Bekenntnis von Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“. Der Zweifler Thomas, der Skeptiker unter den Aposteln teilt seine tiefste Einsicht über Jesus. Ihm ist ein Licht aufgegangen: In dem Menschen Jesus begegnet uns niemand anderer als Gott selber.

(Gedanken zum Evangelium des „Zweifelnden Thomas“ von Irmgard Hilmer in Erinnerung an eine Bildmeditation im Gebetskreis)