Gedanken zu Aschermittwoch und Fastenzeit

„Sie haben aber abgenommen!“ Solche Komplimente hört man heute gern. Nicht zu dick werden, sich eine schlanke Figur bewahren, verbunden mit Fitness und Wellness, das beeindruckt heute. Ernährungsprogramme und Heilfasten haben mittlerweile Hochkonjunktur. Wer etwas auf sich hält, lässt sich was einfallen gegen die überflüssigen Pfunde. — Da kommt sie ja gerade recht, die Fastenzeit. Es wird eben auch außerhalb der kirchlichen Fastenzeit, die mit dem Aschermittwoch beginnt, das sinnvolle Fasten wieder neu entdeckt. Die Fastenfreudigkeit fügt sich auch gut zum Rat des Arztes: „Und im Übrigen müssten sie etwas abnehmen oder sich zumindest gesünder ernähren“

Aber worum geht es eigentlich beim christlichen Fasten? Geht es da auch nur ums Abnehmen oder ums Abspecken? Nein: Damit wäre noch nicht dem Sinn der Fastenzeit Genüge getan. Natürlich ist auch das „Fasten des Leibes“ im Sinne des Glaubens wie z.B. weniger essen, kein Alkohol, weniger Süßes oder nicht mehr rauchen.

Aber beim religiösen Fasten geht es weniger um Abnahme als um Zunahme und Wachstum. Wo aber müssten wir zunehmen? Wo wäre Wachstum angebracht? Vielleicht Wachstum im Glauben, in der Beziehung zu Gott und in der Zuwendung zum Nächsten? Wachstum im Verzicht auf unnötigen Ballast, auf überflüssige materielle Dinge, auf übertriebenem Konsum- und Kaufrausch? Wachstum an Güte, Freude, Friede, Geduld und Aufmerksamkeit füreinander? Verzicht auf Habgier und sinnlosem Lebensgenuss? Mäßigung im Zorn, im Geiz, im Neid und in Aggressionen anderen gegenüber? Wachstum im rechten Maßhalten sei es in wirtschaftlichen Dingen oder im Umgang mit den Gaben und Ressourcen der Schöpfung, angefangen beim Autofasten bis hin zur Abkehr vom sinnlosen Wasserverbrauch und Wasservergeuden.

Fasten also im erweiterten Sinn: Nicht bloß Abnahme, sondern Zunahme an religiösen und geistigen Werten wie Liebe zueinander, Gerechtigkeit und Großzügigkeit gegenüber den Schwachen, Armen, Kranken und Hungernden. Die unermessliche Hilfsbereitschaft gegenüber den Erdbebenopfern in Haiti (Anmerkung: vor fünf Jahren) ist Ausdruck dieses geistlichen Fastens.

Deshalb laden die beiden großen Kirchen alle Gläubigen und Menschen guten Willens ein, im katholischen Hilfswerk „Misereor“ und im evangelischen „Brot für die Welt“ ein spürbares Fastenopfer gegen Hunger, Not und Krankheit weltweit zu bringen.Sehr schön besingt der Priester dieses geistlichen Sinn des Fastens in der Fastenpräfation des Aschermittwochs: „Denn durch das Fasten des Leibes hältst du die Sünde nieder, erhebst du den Geist und gibst uns die Kraft und den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus!“

Wie aber werden wir für diesen geistlichen Sinn des Fastens motiviert? Es ist Jesus selbst, der uns zu Beginn der Fastenzeit beim Auflegen des Aschenkreuzes zuruft: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“

Die Asche als Zeichen der Bereitschaft zur Umkehr zu Gott und zur Abkehr von Egoismus und Lieblosigkeit, erinnert uns an unsere Vergänglichkeit und Sterblichkeit: „Gedenke o Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst!“ So wird beim Auflegen des Aschenkreuzes über uns gesprochen. Unsere Vergänglichkeit und Verweslichkeit also ein Mahnung, von allem loszulassen, was letztlich „nichts bringt“? Eine Mahnung, innerlich frei zu werden für Werte, die bleiben? Das Aschenkreuz, eine Einladung, alte Wege zu verlassen und einen neuen Weg zu gehen durch die 40 Tage der Fastenzeit auf Ostern zu, auf den Herrn hin, auf den Lebendigen und Auferstandenen?

 

                       Genau darin bestünde der tiefste Sinn

                        dieser kommenden heiligen 40 Tage

 

Diese Gedanken zum Aschermittwoch sind vonMonsignore Dekan Richard Distler und wurden 2010 im Neumarktforum online veröffentlicht